Ein Pflegefall? Von wegen!

Silke Naun-Bates spricht im Beratungszentrum Consilio in Mühlacker über ihr Leben nach einem schweren Unfall in der Kindheit – und beeindruckt mit ihrer Kraft und ihrer Haltung gegenüber dem „Schicksal“.

VON BRITTA BISCHOFF-KRAPPEL

MÜHLACKER. War da was? Die unübersehbare Tatsache, dass Silke Naun-Bates ohne Beine, dafür aber auf Händen durchs Leben geht, ist bei ihrer Lesung unter dem Titel „Glücklichsein ist eine Wahl“ im Beratungszentrum Consilio nahezu zur Randnotiz geraten. Und wer erwartet hatte, dass die Referentin, die auf Einladung des Ambulanten Hospizdiensts Östlicher Enzkreis nach Mühlacker gekommen war, über die Kümmernisse und Widrigkeiten eines Lebens mit einer derart schweren Behinderung sprechen würde, wurde angesichts der humorvollen, lebensbejahenden Art der gebürtigen Westfalin eines Besseren belehrt.

„Es ist oft weit mehr möglich, als wir zu denken imstande sind.“
Silke Naun-Bates über ihren Kampf
gegen ein Leben als „Pflegefall“

Eine Resilienz, die der Referentin bereits als Kind innewohnte – trotz ihres schweren Unfalls. Bei einem Spaziergang riss sich der Hund der damals achtjährigen Silke los. Das Mädchen lief hinterher, stolperte auf den Bahngleisen, und das Schicksal nahm seinen Lauf: Ein herannahender Zug riss dem Kind beide Beine ab. Künstliches Koma und lange Krankenhausaufenthalte folgten. Verzweifeln war für Silke Naun-Bates schon damals keine Option: Sie besuchte die Regelschule, spielte mit ihren Freunden und lernte mit Hilfe einer Rutschhose schnell, auf Händen zu laufen. „Dass ich ein Pflegefall bleibe, habe ich schon als Kind entkräftet“, so die 55-Jährige. „Es ist oft weit mehr möglich, als wir zu denken imstande sind.“

Obwohl die Ärzte ausschlossen, dass Silke Naun-Bates je Mutter werden würde, hat sie mittlerweile zwei erwachsene Kinder. Autofahren, Haushaltsführung, Paragliding und Speedboot fahren – alles ist möglich. So war es nicht ihre Behinderung, sondern der frühe Tod der Schwester und einer engen Freundin, die das Leben der Referentin ins Wanken brachten. „Im Rahmen meiner Körperlichkeit kannte ich keine Grenzen, emotional jedoch schon“, musste sie feststellen.

Ein Perspektivwechsel stand an, den sie als radikale Hingabe an das Leben beschreibt. „Es gilt, die Dinge ohne Bewertung in Gut oder Böse anzunehmen und den Widerstand gegen vermeintlich Negatives aufzugeben“, sagt Silke Naun-Bates. Das gelte auch für unschöne Erlebnisse in der Vergangenheit: „Diese Dinge sind passiert. Wie ich heute mit ihnen umgehe, dafür übernehme ich die Verantwortung.“

Jeder und jede könne wählen, so die Referentin, wie er oder sie das Leben gestalten und erleben wolle und durch diese Denkweise neue Freiheit gewinnen. Sie selbst trage dabei ein tiefes Urvertrauen: „Das Le-
ben – oder Gott – macht keine Fehler.“

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