Vier Personen stehen vor einem Plakat des Ambulanten Hospizdienstes Östlicher Enzkreis e.V.
Vier Personen stehen vor einem Plakat des Ambulanten Hospizdienstes Östlicher Enzkreis e.V.

Kein normales Arbeiten möglich

Die Strukturen der Hospizarbeit werden Jahr für Jahr professioneller, dennoch ist es den Koordinatorinnen und dem Vorsitzenden des ambulanten Hospizdienstes östlicher Enzkreis wichtig, den Anfangsimpuls weiterzutragen und Menschen liebevoll in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten. In diesem Jahr feiert ihr Verein das 25-jährige Bestehen.

VON RAMONA DEEG

Der ambulante Hospizdienst östlicher Enzkreis feiert dieses Jahr 25-jähriges Bestehen. Aber so weit müssen wir gar nicht zurückgehen, um über große Herausforderungen zu sprechen. Wie haben Sie insbesondere die erste Phase der Corona-Pandemie erlebt?

Hannelore Stegmaier: Im ersten Lockdown hat der Palliativ- und Hospizverband klar gesagt, dass wir gar nicht mehr begleiten sollten. Dabei kann man Anfragen ja fast nicht ablehnen. Eine Begleitung, die mir persönlich wichtig war, habe ich dieser Zeit nach Rücksprache mit unserem Vorsitzenden Dr. Johannes Bastian selbst übernommen. Der erste Lockdown war auch schlimm, weil viele Menschen alleine sterben mussten und nicht einmal die Angehörigen dabei sein konnten, letzte Worte und Vergebung unausgesprochen geblieben sind. Das hat die Trauer erschwert. Ich hoffe, dass so etwas nie wieder passiert. Die Begleitungen sind, als es wieder möglich war, zahlenmäßig zurückgegangen, weil die Menschen Angst vor einer Infektion hatten und nach wie vor auch haben.

Es gibt fast keine Corona-Regeln mehr. Kann man dadurch im ambulanten Hospizdienst wieder normal arbeiten?

Bernhardine Lückener: Es ist keine normale Arbeit möglich, weil insbesondere in Pflegeheimen, auf Palliativstationen und im Krankenhaus nach wie vor die Maske vorgeschrieben ist. Die Maskenpflicht macht die unmittelbare Nähe, die für unsere Arbeit so wichtig ist, fast unmöglich. Außerdem muss man sich jedes Mal testen lassen. Das schreckt einige Ehrenamtliche ab, die sagen, sie steigen als dreifach geimpfte Ehrenamtliche erst wieder ein, wenn das nicht mehr notwendig ist. Daher haben wir im Moment nur noch eine kleine Gruppe, auf die wir zurückgreifen können. Streng genommen darf man nicht einmal die Hand eines sterbenden Menschen halten.

Wie ist es im häuslichen Umfeld?

Stegmaier: Ich frage im Vorfeld der Erstgespräche den Impfstatus ab und besuche die Familien mit Maske. Außerdem stehe oder sitze ich nicht mehr am Kopf des Sterbenden, sondern richte mich am Fußende ein, um ein bisschen Abstand zu wahren. Es ist immer ein gewisser Druck da. Ich habe auch Angst, schließlich möchte ich niemanden anstecken – und das kann man trotz Impfungen und regelmäßigen Tests ja nicht völlig ausschließen.

Wie war es für Sie, Dr. Bastian, zwei Jahre einem Verein vorzustehen, der viel machen will – aber nicht darf?

Dr. Bastian: Ich habe das genau so wahrgenommen, aber ich konnte nicht sagen: „Bei uns findet die Pandemie nicht statt, wir machen das anders.“ Sondern ich musste mich an die Weisungen und Vorgaben halten und habe auch die Koordinatorinnen und unsere Ehrenamtlichen gebeten, es genau so zu tun. Es war für meine Vorstandskollegin und mich keine schöne Zeit, aber letztlich mussten wir alle durch die Situation durch. Wir können uns nur wünschen – bei allen Befürchtungen mit Blick auf den Herbst – , dass halbwegs Normalität einkehrt.

Stegmaier: Im Mai findet ein Gruppenabend statt, damit sich die Ehrenamtlichen treffen und auch die neuen Begleiterinnen und Begleiter kennenlernen können. Ich habe in den vergangenen beiden Jahren versucht, telefonisch Kontakt zu halten.

Lückener: Ich habe auch versucht, telefonisch Kontakt zu halten und dabei andere Themen als die Pandemie in den Mittelpunkt zu stellen.

Susanne Wiesinger: Wir haben ein halbes Jahr lang wöchentlich Geschichten und Impulse mit Fragestellungen verschickt, damit sich unsere Begleiterinnen und Begleiter mit unterschiedlichen Themenstellungen beschäftigen konnten.

Wie wichtig ist es für den Verein, dass wieder Veranstaltungen stattfinden können?

Lückener: Das ist sehr wichtig. Wir hatten die erste Weiterbildung, in deren Rahmen wir die Verstorbenen der vergangenen beiden Jahre verabschiedet haben. Dabei wurde uns wieder klar, dass wir nicht alleine sind. Denn die Begleitungen führt in der Regel eine Person alleine durch, außer, wenn es sehr intensiv wird. In der Fortbildung wird deutlich, dass wir eine Gemeinschaft sind, die sich um sterbende Menschen gruppiert.

Es gibt seit einiger Zeit das Trauercafé für Hinterbliebene. Hat das Angebot durch die einsamen Tode im ersten Lockdown an Wichtigkeit gewonnen?

Stegmaier: Wir waren schon vor der Pandemie mit den Besucherzahlen sehr zufrieden und mussten das Angebot dann natürlich einstellen. Wenn Menschen angerufen haben, haben wir Einzelbegleitungen, meistens in Form von Spaziergängen, angeboten, um niemanden im Regen stehenzulassen. Manche haben sich dadurch sogar besser geöffnet und mehr erzählt als in einer Gruppe.

Dr. Bastian: Wir gehen davon aus, dass wir im Juni wieder regulär starten können. Wenn bis dahin Bedarf besteht, werden wir wohl weiter Einzelbegleitungen anbieten. Wir sind guter Dinge, dass das Angebot wieder gut angenommen wird.

Außerdem feiert der ambulante Hospizdienst östlicher Enzkreis 25-jähriges Bestehen. Was bedeutet das?

Dr. Bastian: Das bedeutet ein Wachsen aus kleinsten Anfängen. 1997 begann es mit dem Hospizdienst Mühlacker-Ötisheim, dann wurde 2008 auf das Heckengäu erweitert. Als dieser Bereich wieder zu klein wurde, wurde in den ambulanten Hospizdienst östlicher Enzkreis umfirmiert. Das geschah in Anlehnung an den ambulanten Hospizdienst westlicher Enzkreis. Wir sind mittlerweile in unserem Bereich gut angekommen, werden angefordert und sehen uns im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung als wichtiges Bindeglied. Wir gehören dazu und – ich würde beinahe sagen – sind nicht mehr wegzudenken.

Unabhängig von der Pandemie: Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert?

Dr. Bastian: Was mit den Jahren gut gewachsen ist, ist die Zusammenarbeit mit den anderen ambulanten Hospizdiensten und dem Hospiz in Pforzheim. Ich denke dabei konkret an die gemeinsame Ausbildung von Begleiterinnen und Begleitern. Auch in Mühlacker selbst hat sich einiges an Kontakten und Kooperationen getan in den vergangenen Jahren, und das empfinde ich als sehr hilfreich.

Apropos neue Begleiter: Ist aktuell ein Kurs in Planung?

Lückener: Es finden jährlich Kurse statt,und der diesjährige läuft gerade. Insgesamt werden aktuell 14 Begleiterinnen und Begleiter ausgebildet, und die Hälfte davon kommt aus dem östlichen Enzkreis.

Stegmaier: Bei uns haben einige ältere Ehrenamtliche aufgehört, daher ist das eine Zahl, die Mut macht.

Wie viele Begleiter gibt es denn aktuell?

Wiesinger: 28.

Damit kann man keine großen Sprünge machen, oder?

Wiesinger: Nein, aktuell nicht. Zumal hinzukommt, dass davon viele aufgrund der Pandemie noch zurückhaltend sind, eine Begleitung zu übernehmen.

Es dürfen also gerne noch mehr werden auch über die sieben im aktuellen Kurs hinaus?

Dr. Bastian: Das auf jeden Fall. Wir würden uns über jüngere Begleiterinnen und Beglei-
ter freuen. Aktuell haben wir einen Altersdurchschnitt von 65. Daher wäre es schön, Menschen zwischen 30 und 40 für uns zu gewinnen, wobei wir auch wissen, dass es in diesem Alter mit Beruf und Familie schon viele Verantwortungen gibt.

Wiesinger: Zumal, um auf die sieben Anwärter zurückzukommen, es nicht automatisch heißt, dass alle dabeibleiben. Manche stellen fest, dass die ambulante Hospizarbeit doch nicht zu ihnen passt, andere ziehen weg oder verändern sich beruflich. Daher benötigen wir ständig Zulauf. Das war auch der Grund, warum man sich für jährliche Ausbildungen entschieden hat. Dadurch muss niemand lange auf einen Kurs warten.

Wo sind denn die Grenzen einer Begleitung?

Stegmaier: Ich musste Ostern eine Anfrage ablehnen. Da wäre es sehr kurzfristig um zwei ganze Nächte gegangen. Diesem Anliegen konnten wir nicht nachkommen, weil wir zum einen eigentlich keine ganzen Nächte bleiben und zum anderen über Ostern fast niemand verfügbar war. Außerdem kann jeder Begleiter zeitgleich nicht für mehrere sterbende Menschen da sein. Das wäre nicht gut.

Lückener: Dennoch würde ich mir für den Bereich Pflegeheim wünschen, dass wir nicht erst in den akuten Sterbephasen hinzugezogen werden, sondern die Menschen schon früher begleiten. Denn gerade bei hochaltrigen Menschen zieht sich ein Sterbeprozess manchmal über einen sehr langen Zeitraum hin.

Dr. Bastian: Es ist tatsächlich manchmal ein Problem, wenn Begleitungen zu kurzfristig angefragt werden. Es wäre sehr wünschenswert, wenn wir ein bisschen mehr Vorlauf hätten, um die Situation abzuklären und auch jemanden aus unseren Reihen zu finden, der vielleicht selbst noch ein paar Sachen im persönlichen Umfeld regeln muss, dann aber in die Begleitung gehen kann.

Wiesinger: Wobei wir auch wissen, dass viele Angehörige im Vorfeld nicht abschätzen können, ab welchem Punkt sie Hilfe benötigen.

Was können Angehörige in der letzten Lebensphase für Sterbende tun?

Wiesinger: Wir wollen im Herbst mit der Volkshochschule zusammen den Kurs „Letzte Hilfe“ anbieten, bei dem es an zwei Abenden genau um diese Frage geht.

Würden Sie sich wünschen, dass man den Verein in 25 Jahren nicht mehr benötigt, weil Sterben wieder normal ist?

Dr. Bastian: Das wird so nicht passieren, weil die familiären Situationen vermutlich noch viel dramatischer auseinandergehen, als es aktuell der Fall ist. Früher war immer jemand da, der auf die Oma aufgepasst hat, weil mehrere Generationen unter einem Dach gelebt haben. Heute sind es, wenn es gut läuft, noch zwei Generationen. Das wird in Zukunft eher weniger werden. Daher wird meiner Meinung nach die Hospizarbeit in 25 Jahren wichtiger denn je sein.

Wiesinger: Ich fände es wunderbar, wenn es so wäre.


Festakt ist im November geplant

Nach zahlreichen abgesagten Veranstaltungen auf grund der Corona-Pandemie blicken die Verantwortlichen des ambulanten Hospizdiensts östlicher Enzkreis zuversichtlich auf ihr Jubiläumsjahr. Unter anderem soll am 11. November Professor Dr. Dr. Andreas Kruse in der Kelter in Ötisheim einen Festvortrag halten. Kruse ist ein mehrfach ausgezeichneter Psychologe, Gerontologe und Demograph sowie verantwortlicher Autor der Altenberichte des Bundestags.

Abgesehen davon haben Dr. Johannes Bastian als Vereinsvorsitzender gemeinsam mit den Koordinatorinnen Hannelore Stegmaier, Bernhardine Lückener und Susanne Wiesinger weitere Veranstaltungen im laufenden Jahr geplant.

Mehr Informationen über den ambulanten Hospizdienst östlicher Enzkreis gibt es im Internet unter www.hospizdienst-oestlicher-enzkreis.de

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